Pietro BERETTA S.p.A. / Gardone


Aus der Geschichtsschreibung geht hervor, daß in Italien, speziell in Brescia, die Büchsenmacherkunst eine lange Tradition hat. Und in dieser Tradi­tion ist auch die Firma Beretta ver­wurzelt. Büchsenmacher dieser Familie haben bereits im frühen 16. Jahrhundert gearbeitet.
Im Jahr 1526 bekam Mastro Bartolomeo Beretta (1490-1565/68) von Gardone 296 Dukaten als Zahlung für 185 Arkebusen-Läufe, die vom Arsenal von Venedig wegen ihrer vorzüglichen Qualität gekauft wurden. Als der Name Beretta für kompromißloser Qualität, Design, Materialien, Konstruktion und Aufführung synonym wurde, breitete er sich auch jenseits der italienischen Grenzen aus und schaffte eine Tradition, die seitdem von über fünfzehn Generationen von Berettas getragen wird. Die Berufgeheimnisse und die Fertigkeiten gingen von Vater Bartolomeo an Sohn Jacopo (1520/25-...) über, und wurden dann an dessen Sohn Giovannino (1550 bis nach 1577), an seinem Enkel Giovan Antonio (1577 bis nach 1649 ) von einem Jahrhundert zum nächsten weitergegeben.
Erst das Jahr 1680 gilt allerdings offiziell als Gründungsdatum der Societa Pietro Beretta. Die um 1700 herge­stellten Beretta-Waffen sind ge­stempelt mit den Buchstaben P. B. (Pietro Beretta). Beretta war damals bereits imstande, Waffen in größeren Mengen zu liefern. So be­lieferte er um 1720 über einen Zwi­schenhändler den König von Nea­pel.
Der Begründer des jetzigen Zweiges der Familie Be­retta aber soll Pier Guiseppe Be­retta sein, der 1680 geboren wurde.
Zwischen 1750 und 1815 profi­tierte die Firma Beretta naturgemäß von den politischen Wirren dieser Zeit. Besonders zur Zeit der napo­leonischen Kriege dürfte Beretta seine Produktion nicht unerheblich gesteigert haben. Das gilt aber auch für alle anderen Büchsenmacher in Gardone und Brescia. Allerdings nahm Beretta hier wohl aufgrund seiner für die damalige Zeit herrvorr­ragenden maschinellen Ausstattung eine führende Stellung ein. Zur da­maligen Zeit sollen in und um Bres­cia jährlich ca. 40000 Musketen und Pistolen hergestellt worden sein. In dem Archiv der Familie Beretta befinden sich Pässe, Ausweise und Zertifikate aus der Zeit der römischen Republik (1802 bis 1805) und des Königreiches Italien von Napoleons Gnaden (1805 bis 1815), die von der Unruhe, aber auch von der Aktivität der damali­gen Zeit Zeugnis ablegen. In dieser Zeit reiste Pietro Antonio Beretta (1791 - 1853), trotz der Schwierigkeiten durch ganz Italien. um die Überlegenheit seiner Produkte vorzustellen und Aufträge einzuholen.
Nach 1815, in der Zeit der Restauration, ist ein leichter Niedergang der Waf­fenindustrie in Gardone und Bres­cia zu beobachten. Immerhin waren die Waffenfabriken dort aber schon so berühmt geworden, daß etliche gekrönte Häupter, z. B. der ­österreichische Kaiser, der bayrische König und einige Erzherzöge, dort zur Besichtigung weilten. 1821 wurde der Export von Waffen verboten, und 1855 mußten die Waffenfabriken gänzlich geschlos­sen werden. Das Ende schien ge­kommen. Aber mit vielen anderen Büchsenmachern hielt auch die, Firma Beretta aus.
Mit der Unabhängigkeit Italiens aber begann auch in Brescia und Gardone wie­der die Waffenherstellung. Insbe­sondere Jagdwaffen wurden jetzt für den in- und ausländischen Markt gefertigt. Leider sind im Laufe der Jahrhunderte durch verschiedene Naturereignisse viele Familiendokumente verlorenge­angen. So müssen oft Waffen für das Vorhandensein der Familie Be­retta zeugen. Eines dieser Zeug­nisse ist ein Paar Radschloßpisto­len, gefertigt von Claudio Beretta (1580 bis 1640) und Pauolo Cinelle (1580 bis 1645).
Die Berettas sind immer hartnäckig bemüht gewesen, die Produktion zu verbessern und zu erweitern, auch in den schlechtesten Zeiten. Eine der bedeutendsten Gestalten in der langen Geschichte der Beret­tas war wohl Guiseppe Beretta (1840 bis 1903). Er wird als ein außergewöhnlich aktiver und ge­wandter Geschäftsmann beschrie­ben, der unermüdlich Italien und das Ausland bereiste. Es sind Briefe von ihm erhalten, in denen er schreibt: "Da wir die Produktion von Hinterladern stark verbessert und erweitert haben und jetzt die neuesten und bewährtesten Sy­steme herstellen, kann ich Sie zu Ih­rer Zufriedenheit beliefern" (1873) und "Die Revolver werden auch von bester Qualität und höchster Eleganz sein. Ich stelle im Augen­blick auch Zentralfeuermodelle her, die sehr preiswert sind" (1875). Diesem Guiseppe Beretta und seiner Unermüdlichkeit ist es wohl zu verdanken, daß die Firma bereits damals zu einer der größten und bekanntesten Italiens wurde.
Die Familie nahm aber auch aktiv teil am politischen Leben Italiens. So schloß sich Antonio Beretta, der Bruder des Guiseppe Beretta, 1866 mit einigen Arbeitern der Fabrik als Freiwillige den Gruppen Garibaldis an.
Die fünf Kinder des Guiseppe Be­retta wuchsen zusammen mit den Arbeitern in einer kameradschaftli­chen Atmosphäre auf. Unter sei­nem ältesten Sohn Pietro, geboren am 22. April 1870, wurde die Firma zu einer modernen Waffenfabrik. Unter seiner Leitung machte die Firma einen schnellen und stetigen Aufstieg durch. Da er an den häu­figen Sitzungen der Internationalen Beschußkommission in Lüttich und Brüssel teilnahm, hatte er auch Gelegenheit, sich über neue Pro­duktionsmethoden zu unterrich­ten. Dies fand seinen Niederschlag in einer Modernisierung des Wer­kes, das sich mit denen in anderen Industrieländern wohl messen konnte.
Die Modernisierung wurde auch durch die Söhne Giuseppe (1906 - 1993) and Carlo (1908 - 1984) fortgesetzt, wobei auch mit der Gründung von ausländischen Vertriebs- und Produktions- Niederlassungen zur Belieferung von Militär und Exekutive begonnen wurde.
Der 1. Weltkrieg bedeutete einen erneuten Einschnitt in der Ge­schichte der Firma. Ab 1917 be­mühte sich Beretta in Zusammen­arbeit mit dem Kriegsministerium, die Armee mit neukonstruierten Pi­stolen auszurüsten. Es war auch die Firma Beretta, die als erste mit der Produktion der "Villar-Perosa" ­Maschinenpistole Neuland be­schritt. Dies war immerhin wohl eine der ersten Maschinenpistolen überhaupt.
Auch nach dem 1. Weltkrieg konnte sich die Firma vergrößern. Mehr Personal wurde eingestellt, und die Grundfläche wurde vergrößert. Ein eigenes Kraftwerk wurde eingerichtet, und 1923 war Beretta maßgebend betei­ligt an der Gründung des Beschußamtes in Gardone. Immer galt für Beretta aber der Grundsatz, daß modernste Fertigungsmethoden keine Verminderung der Qualität bedeuten dürfen.
Während des 2. Weltkrieges ver­legte Pietro Beretta die Produktion in weitläufige Galerien, die in einen nahegelegenen Berg gegraben wa­ren. Diese unterirdischen Hallen und Gänge werden heute noch als Schießstände verwendet.
Nach dem Kriege führte die Firma Beretta, die inzwischen ca. 1500 Leute beschäftigte, die Produktion weiter. Hergestellt wurden rnilitä­rische Waffen, aber auch Waffen für den zivilen Markt. Besonders bemerkenswert sind dabei die Flin­ten, die Beretta bei ständig steigen­der Qualität immer preiswerter herzustellen vermochte. Dadurch gelang es der Firma, auch auf Ex­portmärkte vorzustoßen, die ihr vorher verschlossen waren. Pietro Beretta, der in seinem Leben viele Ehrungen und Titel empfangen hatte, starb am 1. Mai 1957. Seine Söhne Guiseppe und Carlo führten die Firma in seinem Geiste fort.
Heute, unter der Leitung von Ugo Gussalli Beretta und seinen Söhnen Pietro and Franco, bricht Beretta mit dem Vorteil jahrhundertlanger Erfahrung ins 3.Jahrtausend auf.